DHM Berlin
            

 Am 23. Dezember 1629 verfügte Gustav II. Adolf die Schließung der Wurmbrandt'schen Fabriken in Arboga.

 

Man nimmt an, dass der Verlust der 10 Lederkanonen den taktischen Vorteil zu Nichte machte. Da nun der „Feind“ die Schwächen und Nachteile der Lederkanone erkennen konnte. Vor allem war die Regimentskanone nun als Nachfolger schon in großer Stückzahl vorhanden.

 

Durch die Leichtbauweise der Lederkanonen waren die Lafetten geradezu zierlich und damit wenig robust. Die Rohre konnten nicht mehr als 10-12 Schüsse abgeben, dann mussten sie abkühlen. Trotz Imprägnierung (Teer,Pech) waren sie sehr witterungsempfindlich und sie waren nur für "Traubenhagel" ausgelegt.

 

Die Waffenschmiede Arboga wurde 1630 dem Schottischen Obristen Alexander Hamilton (19.06.1609 – 09.03.1649) übergeben zur Herstellung eigener Waffen.

Robert Scott wandert 1630 mit Familie und Neffe Weymess nach England aus. Dort bekommt er eine Pension von König Carles I. und wird zugleich Englischer Staatsbürger. In Vauxhall führt Scott seine Versuche weiter.

 

Derweilen entwickelte sich ab 1630 eine wahre „Erfinderflut“

 

In ganz Nordeuropa gab es nun neue Erbauer von Lederkanonen.

 

Bereits 1630 fertigte in Moskau der ausländische (genaue Herkunft unbekannt) Kanonenbaumeister Julius Koät Lederkanonen nach schweizer Patent. Diese entsprachen im Aufbau vollständig den von den Schweden eingesetzten Lederkanonen und waren nur für Kartätschen- / Hagelmunition gedacht und hatten die gleichen Probleme bezüglich der Erhitzung des Rohres, welches aufgrund der Mehrschichtenbauweise nicht schnell genug abkühlen und bersten konnte.
In dieser Quelle taucht das erste mal der Begriff „Patent“ auf !

 

Auch gibt es Versuche eines Geistlichen in Antwerpen 1630 „welche Art" am besten auf  Seeschiffe dienlich sei.

 

Wurmbrandt ging zurück auf sein Gut Juleta und eröffnete dort eine Kanonengießerei bis zur Jahreswende 1631.

 

Robert Scott stirbt  1631 (auf seiner Epitaph ein falscher Hinweis „Erfinder“ Lambeth Church-London). Sein Neffe Weymess übernimmt die weitere Forschung seines Onkels unter Königlicher Schirmherrschaft Carles I.

 

Als Schwedische Truppen Anfang April 1631 vor den Mauern der Kaiserlich besetzten Stadt Frankfurt an der Oder standen, verhöhnten die Gegner Sie als "Heringsfresser, die vor Hunger wohl auch ihre Lederkanonen verzehrt hätten!"

Man kann also annehmen, dass bis Ende 1630 / Anfang 1631 keinerlei Lederkanonen mehr bei den Schwedischen Truppen vorhanden waren.

 

Mit Urkunde vom 6. November 1631 verpachtete Wurmbrandt sein Gut Juleta an Jakob De La Gardie  (*20.06.1583 – +12.08.1652) für 3 Jahre. Dieser beklagt sich bitter 3 Monate später über den unfertigen Befund.

 

Wurmbrandt wurde  Kommandant von Donauwörth und Lauingen 1632. Er war an der Schlacht bei Nördlingen 1634 beteiligt und konnte ins Elsass fliehen. 1636 wird er bei Kechersberg im Elsass von Kroaten gefangen genommen und stirbt wahrscheinlich 1637 in Basel. 1636 und wohl auch 1637 führte er einen Rechtsstreit um die Ansprüche an der Komturei Nemerow mit Graf Heinrich Volrath von Stolberg. Im Jahre 1638 gibt es einen Briefwechsel, was mit seinen Gütern in Juleta passieren soll. (als Ausgleich für eine Anleihe von 70000 Kronen an Gustav II Adolf bekam Paul Khevenhüller das Gut als Pfand, danach wurde Juleta bis 1650 an Hendrik Trip verpachtet)

 

1631 - 1633 stellte der Goldschmied und Stückmeister Georg Lotter          (Augsburg) für das Fürst-Erzbistum Salzburg 7-8 Lederkanonen her.  

 

Nach dem Tod Gustav II. Adolf's 1632 ging Alexander Hamilton in die Dienste von Herzog Wilhelm von Sachsen-Weimar. Dort erhielt er eine Artillerie Gießerei in Suhl Thüringen.

 

Am 16. Juni 1632 wurde Alexander Koät (Bruder oder Sohn des Julius Koät), (Quellenlage ist dazu unklar) auf Grund einer Schießvorführung mit einer Lederkanone vom Zar belobigt,  der von den leichten Lederkanonen begeistert war und Koät anwies, diesen Kanonentyp weiter zu entwickeln.
Als Meister Julius Koät 1634 starb, wurde zunächst die Produktion der Lederkanonen in Russland eingestellt, da es keinen Nachfolger gab. 

 

Ein gewisser Cornelius Schmit soll 1633 in Amsterdam ein Patent für eine Lederkanone erhalten haben.

 

Johann Ludwig Hektor Graf von Isolani zerstört im Oktober 1634 Suhl und die dortige Gießerei.

 

Ein  Genueser oder für Genua bauender Marin Marini, Italien ca. 1634-1635 . An seinem Typ wurde das Kupferrohr mit Leisten und Eisenringen verstärkt; anschließend mit Seil gewickelt, mit Holzleisten für eine 'Tarnung' und schließlich Leder bezogen. Dies wurde zuerst in Zylinderform versucht, dann in Topfform. In der Art eines Mörsers. Eventuell eine Anlehnung des Modells Scott.

 

Nach der Zerstörung Suhl's geht Alexander Hamilton 1635 zurück nach England und bekommt eine Pension von König Carles I. In Potterrow Port   (südlich von Edinburgh) eröffnet er eine Gießerei.

 

1637 sind die Geldmittel von Weymess erschöpft und er erhält eine Zuwendung von König Carles I. Er soll nun Lederkanonen gegen seine alte Heimat Schottland bauen. In diesem Zwiespalt wurden die ersten seiner Lederkanonen 1643 fertig.


 ( Krieg der drei Königreiche (England, Schottland und Irland), der sich über den Zeitraum von 1639 bis 1651 erstreckte.)


1638 bekommt Hamilton einen Brief von seiner Verwandtschaft in Schottland und er wechselt die Seiten. Im Herbst 38 überarbeitet er seine alten Modelle auf der Basis der Konstruktionen in Suhl.

 

Im Februar 1639 werden die ersten Lederkanonen in Edinburgh gegossen.

April 39 erhält der Earl of Montrose die ersten Stücke.

 

1640 Bestand der Lederkanonen in Zeughäusern Stockholm's (bis 1650) Danach ist der Verbleib der Wurmbrandt'schen Lederkanonen unbekannt.  

 

(Theorie)  Eine gefälschte Inventarliste.

 

Quelle :Turner James 

Obrist Hinze vermutet, dass diese Wurmbrandt'schen Lederkanonen  von Sir Alexander Leslie zur Schlacht  Newbourne / Newburn  (28. August 1640) gebracht worden sind. So soll ein Teil des „Schwedischen“ Soldes von Leslie in Musketen und Kanonen bezahlt worden sein.

 

(Theorie)  Oder sie wurden aus dem Arsenal in Stockholm entwendet. 

 

1647 wird bei einem Brand des Arsenals in Kopenhagen die Lederkanone aus dem Jahre 1628 von  Robert Scott vernichtet.

 

1649 Alexander Hamilton stirbt.

 

1651 stellt Weymess neue Lederkanonen her. Am 3. September 1651 verliert Weymess das zweite mal seine Artillerie bei Worchester. Hier wurde er gefangen genommen und bis 1654 in Windsor Castle inhaftiert. 1661 wird Weymess wieder als „Master Gunner of England“ und General der Artillerie in Schottland geführt. 1667 stirbt er in Schottland.

 

Erst wieder 1660 kam auf Drängen des Zars in Russland eine neue verbesserte Version der Lederkanone auf den Markt. Diese hatte ein stärkeres Seelen-Rohr und konnte nun auch massive Eisenkugeln verschießen. Zudem wurden über die äußere Lederschicht zusätzlich Metallbänder  oder teilweise sogar ein kompletter Metallmantel aufgezogen. Möglich das nun der Schottische Typ gebaut wird.

Als Erbauer wird ein "Jagan Van Stolper" genannt. Er soll zwei Kanonen gebaut haben bis 1661. Eine davon als „Ostergeschenk“ an den Zaren.

 

Am 26. Juli 1689 gibt es ein letztes Gefecht mit Lederkanonen bei Killicrankie. Der Schottische General Hugh Mackay (ca. *1640  -             +3. August 1692) provozierte einen Angriff auf die Jakobiten.

http://www.jacobite.ca/

 

Damit endet die Geschichte der Lederkanone in Europa.

 

1622 bis 1689, gerade 67 Jahre . Davon nur 3 Jahre in Schwedischen Diensten und doch blieb der Mythos dieser einzigartigen Kanone stets mit dem Namen König Gustav II. Adolf verbunden.

 

Ein letztes Mal erklangen die Lederkanonen 1788 in Edinburgh. Drei Schüsse als Salut .

 

Der Militär- und Kriegsschriftsteller Johann Kaspar Lavater hat 1644 sein„Kriegsbüchlein“ herausgeben.

 

In der Vorrede das Gedicht : 

 

 „Ich bring was heutig ist.

 Solt dich nicht Zürich schmucken ?

 Der alte Eberhard mit seinen Läderstucken  

 Und Brändli sein Gehilff ;

 die nicht auß Schweden her

 Zu uns erst kommen sind ;

 von uns hineyn vilmehr „


 1667


Solt dich nicht / Zürich / schmucken

   Dein Zeughauß und dein Gschütz ;

   Die Art der Lederstucken

   So nicht auß Schweden komt ;

   Ich sage es mit Grund

   Sie ist bey uns längst Alt

   und unsrer Leuthen fund „




Arma Suecica (VI) Seite 88 ff


"Leicht bin ich und wenig geacht,

 Thue soviel mancher nicht gedacht

 Meines gleichen in Metall gemacht,

 Durch Gottes Gnad bin ich erfunden

 Der mich erdacht, hält sich vor schlecht,

 Bleib doch seines Herren treuer

 Knecht"


  Juleta  22. August  A.D. 1627       Melchior von Wurmbrandt

 


Technische Daten :

 

Die „Lederne“ Kanone bestand aus einem Kupferrohr, das mit eisernen Ringen, Leinen, Tauwerk und Leder verstärkt wurde. 

 

Reichweite   600 – 800 Schritt     1 Schritt (71-75cm)   438 – 584 Meter

 

Reichweite Muskete  350 – 400 Meter

 

Gewicht z.B :

 

137 cm      bei 38 kg

 

205 cm      bei 51,5 kg  Kaliber 6cm

 

216 cm      bei 35,5 kg  Kaliber 6,2cm

 

Im Vergleich  Regimentsstück

 

116 Kg  bis 135 Kg

 

Schußreichweite :

 

Wirksamkeit Kugel               1,5 – 2 km        Max.  3,5 – 4 km   

 

Wirksamkeit Traubenhagel     400-600m        Max.  1,2 – 2km     

 

   

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